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AutorenbildKristin von Lüdinghausen

Balanceakt zwischen Traumjob und «normalem Leben» - Topsharing beim Universitätsspital Zürich

Als Ärztin bzw. Arzt Umbrüche als Chance nutzen, zusammen mehr erreichen als alleine: Für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben kann in der Medizin Topsharing gewinnbringende Rahmenbedingungen bieten und Innovationen fördern. Mitunter stellt das Modell ein wirksames Werkzeug dar, um dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen in der Schweiz entgegenzuwirken.

Portrait Martina Broglie Däppen und Simon Müller

Seit 2021 sind Martina Broglie Däppen und Simon Müller im Bereich Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie des Universitätsspitals Zürich (USZ) in einer Co-Leitungsfunktion in einem 70% und 80% Pensum tätig. Die Co-Leitung entstand ursprünglich aus einer Einzelleitungsposition heraus und entwickelte sich als Reaktion auf interne Veränderungen: Zu Beginn ihrer Anstellung übernahm Martina, begleitet von zwei erfahrenen Oberärzt:innen, die Leitung des Head & Neck Bereiches in einem 80% Pensum. Den späteren Weggang der beiden Oberärzt:innen und das Nachrücken zweier weniger erfahrener Oberärzt:innen nahm sie zum Anlass, sich nach einer stabileren Lösung umzuschauen. Martina ergriff die Möglichkeit, sich ein Topsharing aufzubauen, und stiess bei der Suche nach einem bzw. einer passenden Partner:in auf Simon, der ihr aus ihrem Netzwerk empfohlen wurde. Nach einer persönlichen Kontaktaufnahme bewarb sich Simon schliesslich offiziell auf die Co-Leitungsstelle beim USZ.

 

«Martina ergriff die Möglichkeit, sich ein Topsharing aufzubauen, und stiess bei der Suche nach einem bzw. einer passenden Partner:in auf Simon, der ihr aus ihrem Netzwerk empfohlen wurde.»

 

Als Power-Duo zum Kulturwandel beitragen

Martina sieht Topsharing als gewinnbringend und entlastend an: «Ich habe festgestellt, dass ich in meiner 80% Anstellung faktisch 100% arbeitete und sehr hin- und hergerissen war zwischen den beiden Rollen zu Hause und im Spital. Das Modell der Co-Leitung ist aber nicht nur für die Vereinbarkeit unterstützend, sondern auch für das Einbringen gemeinsamer Ideen und die Förderung von Innovationen.»

Simon sieht Topsharing ebenfalls als bereichernd an, denn das Modell bietet Raum für einen offenen Austausch auf Augenhöhe, eine Chance, die Kultur in der Spitallandschaft zu Gunsten einer besseren Vereinbarkeit weiterzuentwickeln und die Verantwortung auf mehrere Schultern zu übertagen. Er fügt an: «Es gibt keine einzige Frau in der ganzen Schweiz, die eine Leitungsposition in der Tumorchirurgie im Kopf-Hals-Bereichinnehat. Das zeigt uns, wie wichtig Angebote sind, die es uns ermöglichen, den Job, den wir so gerne machen, auch ausüben zu können. Dazu braucht es gewisse Rahmenbedingungen, sonst ist dieser Beruf schlichtweg nicht mit einem ’normalen’ Leben zu vereinbaren.»

 

«Es gibt ausser Martina keine einzige Frau in der ganzen Schweiz, die eine Leitungsposition in der Tumorchirurgie im Kopf-Hals-Bereich innehat. Das zeigt uns, wie wichtig Angebote sind, die es uns ermöglichen, den Job, den wir so gerne machen, auch ausüben zu können. Dazu braucht es gewisse Rahmenbedingungen, sonst ist dieser Beruf schlichtweg nicht mit einem ’normalen’ Leben zu vereinbaren.»

 

Als Ärztin bzw. Arzt ist man stetig gefordert, seine eigene Perspektive zu überdenken. Das gemeinsame Wirken in einer Co-Leitung kann den Lerneffekt erhöhen und potentielle Fehler minimieren. Auch sehen beide einen Vorteil von Topsharing darin, dass Oberärzt:innen einen Einblick in verschiedene Arten von Führungsstilen und Operationstechniken bekommen. Die gegenseitige Vertretung wird als weiterer Nutzen gesehen: Das Wissen und die Expertise sind im Topsharing jederzeit verfügbar, beispielsweise während einer Ferienabwesenheit oder bei dem in Kürze anstehenden Vaterschaftsurlaub von Simon.

 

«Das Wissen und die Expertise sind im Topsharing jederzeit verfügbar, beispielsweise während einer Ferienabwesenheit oder bei dem in Kürze anstehenden Vaterschaftsurlaub von Simon.»

 

Initiale Rollenklärung und top-down Unterstützung

Beide möchten das Thema Co-Leitung aber auch kritisch beleuchten. Simon betont: «Wichtig sind die persönliche Einstellung, Offenheit für eine Zusammenarbeit und eine gute Kommunikation.» Bedeutsam ist auch, vorgängig abzuklären, inwiefern beide Parteien bereit dazu sind, sich gleichermassen einzubringen und ob man sich gut ergänzt.

Gerade zu Beginn eines Topsharings ist folglich eine gute Abstimmung grundlegend, insbesondere, wenn unterschiedliche Ausbildungsorte und erlernte Konzepte zu Grunde liegen. Ein gemeinsames Coaching am Anfang ihrer Co-Leitung war für den weiteren Verlauf der Zusammenarbeit der beiden sehr unterstützend. Simon bestätigt: «Durch das systematische Aufarbeiten von Erwartungen im Rahmen des Coachings wurden sehr viele potentielle Unstimmigkeiten antizipiert und entschärft.»

Abschliessend unterstreichen beide: «Was in unserer Situation sicherlich wichtig war und auch weiterhin ist: Unser Vorgesetzter unterstützte Topsharing von Anfang an - und auch wenn wir ein eingespieltes und autonomes Team sind, diesen Rückhalt spüren wir

 

«Durch das systematische Aufarbeiten von Erwartungen im Rahmen des Coachings wurden sehr viele potentielle Unstimmigkeiten antizipiert und entschärft.»

 

Zu den Interviewpartner:innen:


Martina Broglie Däppen ist seit 2018 Leitende Ärztin am USZ (Leiterin Kopf-Hals-Tumorzentrum, Koordinatorin Schilddrüsentumorzentrum Comprehensive Cancer Center) und arbeitet in einem 70% Pensum. Sie ist Mutter von zwei Kindern, die 9 und 11 Jahre alt sind. Martina charakterisiert sich als teamorientiert, ehrgeizig und als eine Person mit viel Energie. Die Co-Leitung ist aus ihrer Initiative heraus entstanden.


Simon Müller ist seit 2021 am USZ tätig (Oberarzt meV Klinik für Ohren-, Nasen-Hals- und Gesichtschirurgie). Er arbeitet in einem 80% Pensum und beschreibt sich als perfektionistisch, harmoniebedürftig und sozial. Zuvor am Inselspital in Bern angestellt, war die Co-Leitungsposition am Unispital Zürich aus Gründen der Perspektive, aber auch als Vater von (bald) zwei Kindern ein passender nächster Schritt für ihn.



Zur Autorin:


Kristin von Lüdinghausen ist Projektleiterin Diversity & Inclusion am USZ und zuständig für die strategische Umsetzung vom Diversity & Inclusion Management. Sie bildet sich in DE&I an der UPeace, San José, weiter und hat als Leadership Coach u. a. Erfahrung in der Unterstützung von Expats bei der beruflichen Integration in die Schweiz.



Zum #firstmover Konzept:


Mit den #firstmover Beiträgen macht WEshare1 Unternehmen sichtbar, die Job- und Topsharing nicht nur predigen, sondern auch aktiv leben bzw. die Etablierung des Modells mit grossem Einsatz vorantreiben. Mehr zum Angebot gibt es hier.

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