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AutorenbildKarin Ricklin

Ältere Mitarbeitende, macht Euch stark für Topsharing!

Das Topsharing von Bernadette Höller und Vanessa Zeilfelder ist organisch gewachsen. Seit September 2023 üben die beiden die Geschäftsführung von Loopings, dem Kompetenzzentrum für Arbeit 45+, offiziell im 60%-60% Topsharing aus. Im Interview spricht das Tandem darüber, weshalb Topsharing der nächste logische Schritt war, wieso Generationentandems (noch) eine Seltenheit sind und inwiefern ältere Mitarbeitende verstärkt generationsübergreifende Tandems einfordern sollten.


Portrait Vanessa Zeilfelder und Bernadette Höller

Karin Ricklin: Seit September 2023 seid Ihr als Co-Geschäftsführerinnen der Stiftung Loopings im 60%-60% Topsharing tätig. Zuvor übte Bernadette über mehrere Jahre hinweg die Geschäftsführung allein aus, Vanessa war Projektmanagerin. Wie kam es zum Wechsel von der Einzelleitung zur geteilten Geschäftsführung?

Bernadette Höller: Das ist organisch gewachsen. Nach und nach teilte ich alle wichtigen Themen und Entscheidungen mit Vanessa. Sie hatte also ohnehin schon überall Einsicht und übernahm von Beginn an Verantwortung. Für mich war das Topsharing der nächste logische Schritt. Hinzu kamen private Gründe, die bei uns beiden zur Reduktion von einem Voll- auf ein Teilzeitpensum führten. Die Reduktion der Arbeitspensen war aber nur ein kleiner Teilaspekt. Die Hauptgründe lagen darin, dass es sowohl inhaltlich wie auch von der Aufteilung der Aufgaben her Sinn gemacht hat.

 

KR: Das Topsharing von Gudrun und Ines ist ähnlich zustande gekommen. Gudrun verneinte, als wir sie fragten, ob sie sich die Co-Leitung mit einer anderen Person hätte vorstellen können. Wie war das bei Dir, Bernadette?

BH: Dadurch, dass das Modell organisch gewachsen ist, habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht. Es gibt sicherlich noch andere Menschen, mit denen ich mir ein Tandem grundsätzlich vorstellen könnte – die müsste man nur finden, was bestimmt nicht leicht wäre. Ich hätte wahrscheinlich zuerst in meinem Netzwerk nach Personen Ausschau gehalten, mit denen ich bereits gemeinsam Projekte realisiert habe oder die sowieso schon Teil unseres erweiterten Teams sind. Ein solches Topsharing hätte aber sicher mehr Absprachen mit sich gebracht im Vergleich zum Topsharing mit Vanessa, wo alles Hand in Hand geht.


KR: Was gab Dir, Vanessa, die Zuversicht, dass die Co-Leitung mit Bernadette funktionieren könnte?

Vanessa Zeilfelder: Die Entscheidung veränderte in unserem Fall nicht alles von einem Tag auf den anderen. Ich konnte schon vorher in die Rolle hineinwachsen. Durch die jahrelange Zusammenarbeit mit Bernadette wusste ich; wir funktionieren gut miteinander. Zudem bauten wir über die Zeit hinweg ein grosses Vertrauen auf, was insbesondere in einer Tandem-Konstellation sehr hilfreich ist. Die Ausgangslage war für mich daher sehr gut. Ich kann mir vorstellen, dass es Schwierigkeiten geben kann im Übergang von der Einzelleitung zur Co-Leitung, wenn bspw. die bisher allein leitende Person Mühe damit hat, der anderen Person ausreichend Raum zu geben. Das war bei Bernadette jedoch nie der Fall. 


 

«Die Entscheidung veränderte in unserem Fall nicht alles von einem Tag auf den anderen.» 

 

KR: Ihr seid in einer Stiftung tätig. Beim Topsharing von Ilona und Yvonne, die in einem Verein arbeiten, spielte der Vorstand eine zentrale Rolle bei der Initiierung des Topsharings. Wie habt Ihr die Rolle des Stiftungsrats erlebt, als es darum ging, vom quasi inoffiziellen ins offizielle Topsharing zu wechseln?

BH: Dem Stiftungsrat erschien dieser Schritt ebenfalls logisch und sinnvoll. Teile unseres Stiftungsrats hatten ausserdem selbst schon gute Erfahrungen mit Topsharing gemacht. Es gab keine Bedenken.


KR: Nach einem halben Jahr im Topsharing: was sind Eure ersten Learnings?

VZ: Das Klären der Erwartungen, innerbetrieblich und nach aussen, ist wichtig. Stiftungsrat und Team müssen wissen, was es bedeutet, neu einem Tandem gegenüber zu stehen. Es lohnt sich, dies frühzeitig zu adressieren und zu kommunizieren. Wir haben eine Liste erstellt mit Themen und Bereichen, bei denen sich aufgrund von Effizienzgedanken eine Aufgabenteilung anbietet. Parallel dazu legten wir fest, wo wir gemeinsam involviert sein möchten. Die Aufteilung haben wir dem Team kommuniziert. 

BH: Was wir bereits jetzt sagen können: Topsharing macht Spass und ist sehr zu empfehlen!

 

 

«Was wir bereits jetzt sagen können: Topsharing macht Spass und ist sehr zu empfehlen!» 

 

VZ:  Ich finde es toll, dass ich durch Topsharing die Möglichkeit zu diesem Entwicklungsschritt erhielt. Grundsätzlich würde das Modell zahlreiche Perspektiven bieten, ich habe allerdings den Eindruck, dass diese noch zu wenig genutzt werden.

 

KR: Diesen Eindruck teilen wir. Insbesondere Tandems aus zwei Generationen können äusserst bereichernd und inspirierend sein. Obwohl die Wichtigkeit und der Mehrwert von Generationenmanagement bei den Unternehmen grundsätzlich erkannt werden, scheint die gezielte Etablierung und Nutzung der Vorteile von Generationentandems noch nicht im Fokus zu stehen. Loopings ist das Kompetenzzentrum für Arbeit 45+, Generationenmanagement zählt zu Euren Kernthemen. Was könnten aus Eurer Sicht Gründe für diese Diskrepanz sein?

VZ: Eine Ursache liegt in strukturellen Themen wie bspw. dem Gehalt. Gerade bei erfahrenen Personen kann das Salär einen Hinderungsgrund darstellen. Dabei wäre ein zeitlich begrenztes Topsharing eine tolle Möglichkeit, frühzeitig die Nachfolge von Personen zu regeln, die bald in Pension gehen. Immer wieder hören wir dann jedoch; «wir wissen nicht, wie wir das genehmigt oder finanziert bekommen.» Mehr Flexibilität wäre hier hilfreich. 

BH: Die Mitarbeitenden haben das Modell noch zu wenig im Kopf und fordern es daher auch nicht ein. Ich verstehe, dass HR nicht vorprescht, wenn der Druck bzw. das Bedürfnis nicht von den Personen selbst kommt. Die älteren Mitarbeitenden in Führungspositionen sollten ihren Bedarf formulieren und dafür einstehen. Sie hätten es in der Hand, die Jüngeren zur Tandembildung einzuladen und bei HR anzumelden; «Topsharing ist wichtig, wir wollen dieses Modell und dadurch unser Wissen und unsere Erfahrung weitergeben.» Würde dies verstärkt eingefordert, wäre vieles möglich. 


 

«Die Mitarbeitenden haben das Modell noch zu wenig im Kopf und fordern es daher auch nicht ein.»

 

KR: Nicht alle wollen oder können die Bühne teilen. Der Gedanke daran, dass das Gegenüber bspw. in gewissen Dingen überlegen sein könnte, wirkt auf einige Menschen abschreckend.

BH: Wenn Vanessa nichts besser machen würde als ich, wäre das sehr schlecht (lacht).

VZ: Hier muss ein Umdenken stattfinden. Ich hoffe, dass der Blick künftig stärker darauf gerichtet wird, was gemeinsam erreicht wurde statt darauf, wer schlussendlich auf der Bühne steht. 

BH: Im Endeffekt geht es um das Ergebnis bzw. in unserem Fall die Wirkung, die wir gesellschaftlich erzielen. Das Thema «Bühne teilen» hängt zudem davon ab, inwiefern sich Personen mit der Arbeit bzw. ihrer Rolle identifizieren. Gerade bei den Babyboomern, bei der Generation X und auch noch eher bei männlich gelesenen Personen in Führungsrollen beobachten wir teilweise eine sehr starke Identifikation mit dem Job. Für solche Personen kann das Teilen der Bühne tatsächlich herausfordernd sein. Mir selbst ist das fremd. 


 

«Gerade bei den Babyboomern, bei der Generation X und auch noch eher bei männlich gelesenen Personen in Führungsrollen beobachten wir teilweise eine sehr starke Identifikation mit dem Job.»

 

KR: Geht man davon aus, dass jüngere Menschen ähnlich ticken wie Du und das gemeinsame Tragen von Verantwortung nicht abschreckend, sondern bereichernd wirkt; wird es dann in Zukunft automatisch mehr Topsharing-Tandems geben?

BH: Das ist schwierig zu prognostizieren, zumal ich glaube, dass die Arbeitswelt in den nächsten fünf bis zehn Jahren durch KI massiv auf den Kopf gestellt wird. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass es mit steigender Komplexität von Vorteil ist, Dinge gemeinsam zu tun und sich gegenseitig zu unterstützen. Ob sich das in einer steigenden Anzahl Tandems abbildet, ist schwer zu sagen. 

VZ: Grundsätzlich zeichnet sich ein zunehmender Gestaltungswille ab; Arbeitnehmende möchten ihre Arbeit so gestalten, dass sie zu ihnen passt. Topsharing kann ein Tool dazu sein. Wir hatten kürzlich Susanne Kast als Interviewgast in unserem Magazin. Im Interview betont sie den starken Gestaltungswillen, den Menschen rund um die Pensionierung hegen. Dasselbe gilt für jüngere Menschen. Vielleicht liegt gerade in diesem Gestaltungswillen das Gemeinsame zwischen den beiden Generationen.

 

 

«Grundsätzlich zeichnet sich ein zunehmender Gestaltungswille ab; Arbeitnehmende möchten ihre Arbeit so gestalten, dass sie zu ihnen passt. Topsharing kann ein Tool dazu sein.» 

 

BH: Auch das Thema «Sinn» verbindet die ganz Jungen und die Älteren miteinander. In unseren Workshops mit Menschen, die sich im letzten Drittel ihrer beruflichen Laufbahn oder kurz vor der Pensionierung befinden, geht es sehr oft um Sinnfragen und die Frage, warum und wie man sich weiter in der Arbeitswelt einbringen will.

 

KR: Zum Schluss noch die Frage, die wir allen Tandems in unserer #seeingisbelieving Blogreihe stellen: Welchen Tipp gebt Ihr Personen, welche sich ebenfalls für ein Topsharing interessieren?

BH: Im Sinne des Work-Life Designs empfehlen wir: formuliert im Voraus eure Annahmen und legt los, vielleicht erstmal für zwei, drei Monate. Macht immer wieder Retrospektiven und entscheidet dann jeweils, ob und wie ihr weiter macht, ob es etwas anzupassen gibt und wie ihr weiterlaufen wollt. Ich würde grundsätzlich nicht zu lange überlegen, sondern möglichst rasch mit der Umsetzung starten. 

VZ: Macht Euch individuell wie auch gemeinsam bewusst, warum Ihr ein Topsharing eingehen wollt und baut dies in Eure Kommunikation ein.


 

Zu den Interviewpartnerinnen:


Vanessa Zeilfelder stiess 2020 zum Loopings-Team und teilt sich seit September 2023 die Geschäftsführung mit Bernadette Höller. Davor war Vanessa in der Unternehmensberatung tätig, mit Fokus auf Digitalisierungsprojekte, Change Management und Projektmanagement sowie mit Einblicken in verschiedene Industrien und Arbeitswirklichkeiten.

 

Bernadette Höller beschäftigt sich als Diplom Gerontologin seit 20 Jahren wissenschaftlich und praktisch mit der Frage «Was ist gutes Altern und wie geht das?» – zum einen auf individueller, aber auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene und mit dem besonderen Fokus auf das Generationenmiteinander in der Arbeitswelt. Seit 2016 leitete sie die gemeinnützige Neustarter-Stiftung, die 2021 mit Unterstützung des Migros Pionierfonds loopings.ch lancierte, das schweizweite Kompetenzzentrum für Arbeit 45+. 


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